Trauer ist etwas, das jeder Mensch anders erlebt, und für Kinder ist diese Erfahrung oft noch komplexer. Wenn eine nahestehende Person stirbt, stellen sich für sie Fragen, auf die viele Erwachsene keine direkte Antwort haben. Genau das ist die Mission der ASBL Trauerwee, die 2014 von Simone Thill gegründet wurde. Ihre Arbeit basiert auf einer persönlichen Reise durch die Trauer und dem Wunsch, etwas zu schaffen, das sie selbst damals in ihrer Zeit des Verlustes vermisst hat.
Wie alles begann
Simone Thill war eine junge Mutter, als ihr Mann an Krebs starb. Zu diesem Zeitpunkt waren ihre beiden Kinder noch sehr klein: Ihr Sohn war drei Jahre alt und ihre Tochter gerade einmal sechs Monate. In einer Zeit, in der sie selbst versuchte, durch das Chaos der Trauer zu navigieren, bemerkte sie, wie groß der Mangel an spezifischer Unterstützung für Kinder und Familien in Luxemburg war. „Wir waren eine junge Familie, und die Menschen wussten nicht, wie sie mit uns umgehen sollten“, erklärt sie. Statt eines geschützten Raumes wurde ihr damals lediglich ein Psychologe empfohlen – etwas, das für ihre Kinder nicht passend schien.
Diese Erfahrung inspirierte sie dazu, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Nachdem sie ihren eigenen Trauerprozess verarbeitet hatte, entwickelte sie gemeinsam mit einer Freundin, die ebenfalls einen Verlust erlebt hatte, die Idee für Trauerwee. Nach Weiterbildungen in Deutschland wurde 2014 der Grundstein für die ASBL gelegt.
Ein Raum für Trauer – und auch für Hoffnung
Trauerwee bietet Kindern und Familien einen geschützten Raum, in dem sie ihre Trauer auf ihre eigene Weise verarbeiten können. Hier werden die Kinder nicht nur gehört, sondern sie lernen auch, ihre Emotionen zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Es geht darum, dass sie sich nicht allein fühlen und spüren: „Meine Gefühle sind normal.“
Die Arbeit basiert auf individuell angepassten Ritualen und kreativen Aktivitäten. Jedes Kind hat zum Beispiel eine Erinnerungsbox, in der es Gegenstände von der verstorbenen Person sammeln und aufbewahren kann. Es wird auch viel gebastelt, gemalt oder sogar mit Musik gearbeitet, da kreative Ausdrucksformen oft helfen, Gefühle besser zu verarbeiten. „Wir bringen den Kindern bei, ihre eigenen Symbole und Rituale zu finden, um mit ihrer Trauer umzugehen“, erklärt Simone Thill.
Eines der wichtigsten Prinzipien bei Trauerwee ist auch die Unterstützung der Eltern. „Jedes Familienmitglied trauert anders, und es ist wichtig, dass die Eltern ein Vorbild sind, indem sie ihre eigenen Emotionen ehrlich zeigen.“ So werden Kinder dazu geführt, empathisch und offen mit ihren Gefühlen umzugehen.
Trauer als gesellschaftliches Tabu
Ein Thema, das Simone besonders beschäftigt, ist die Tabuisierung von Trauer in unserer Gesellschaft. „Oft sagen Menschen aus Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, gar nichts“, erklärt sie. Das führt dazu, dass sich betroffene Familien isoliert fühlen. Kinder, die sehr feinfühlig auf ihre Umgebung reagieren, merken das sofort und sprechen vielleicht selbst nicht mehr über die verstorbene Person.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, setzt Trauerwee auf Sensibilisierung. Mit einer Wanderausstellung, Weiterbildungen und Podcasts versucht die ASBL, das Thema in die öffentliche Diskussion zu bringen. Für Simone ist es wichtig, dass nicht nur in Familien, sondern auch in Schulen ein sicherer Umgang mit diesem Thema gefördert wird.
Ehrlichkeit und Hoffnung: Was Kinder wirklich brauchen
Eine der zentralen Missionen von Trauerwee ist es, den Kindern ehrlich und klar zu erklären, was passiert ist. Begriffe wie „tot“ oder „sterben“ dürfen nicht durch euphemistische Sätze wie „er schläft“ oder „er war krank“ ersetzt werden, da diese die Kinder oft verwirren und ängstigen. Stattdessen sollten die Kinder die Freiheit haben, ihr eigenes Verständnis vom Tod zu entwickeln. „Wenn ein Kind Fragen stellt, ist es okay zu sagen: Ich weiß es nicht“, betont Simone. „Kinder haben oft ihre eigenen kreativen Antworten, die sie selbst trösten.“
Trotz des Schmerzes der Trauer wird bei Trauerwee immer wieder betont: „Es wird nie wieder so sein wie vorher, aber es wird wieder gut.“ Dies ist die Botschaft der Hoffnung, die Simone jeder betroffenen Familie mit auf den Weg gibt.
Ein Raum für Empathie und Mitgefühl
Die Arbeit von Simone Thill und Trauerwee zeigt, wie wichtig es ist, Kinder in ihrer Trauer wahrzunehmen, zu verstehen und sie aktiv zu begleiten. Sie hat nicht nur einen sicheren Ort für Trauer geschaffen, sondern auch einen Raum für Hoffnung, Stärke und Gemeinschaft.
Comments