„Es ist Zeit, die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen – mit einer Betreuung, die Bindung, Struktur und Bildung in Einklang bringt.“
Die 5 wichtigsten Punkte des Artikels
Die Bedeutung der Eltern-Kind-Bindung: Eine stabile Eltern-Kind-Bindung ist laut Prof. Dr. Verbeek essenziell für die emotionale und kognitive Entwicklung eines Kindes. Sie kritisiert die frühzeitige Fremdbetreuung von Kindern unter zwei Jahren und fordert mehr Zeit für diese entscheidende Phase.
Stress in der Fremdbetreuung: Kleinkinder erleben in der Fremdbetreuung oft Stress durch Lärm, Konflikte und fehlende individuelle Betreuung. Langfristig kann dies ihre Emotionsregulation und psychische Gesundheit beeinträchtigen. Verbeek warnt vor offenen Konzepten, die Kindern zu viel Verantwortung übertragen.
Diversität in der Praxis: Diversität wird häufig nur symbolisch behandelt. Verbeek fordert, soziale Ungleichheiten gezielt abzubauen und Fachkräfte besser auf die Herausforderungen kultureller Vielfalt vorzubereiten. Luxemburg könnte hier mit seiner multikulturellen Realität eine Vorreiterrolle einnehmen.
Die Rolle von Haltung und Praxis in der Ausbildung: Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität sind laut Verbeek essenziell für Fachkräfte. Sie lobt Luxemburgs praxisorientierte Fortbildungsansätze, während sie in Deutschland Defizite in der Akademisierung der Kindheitspädagogik sieht.
Forderungen an die Politik: Verbeek ruft dazu auf, die Elternzeit zu verlängern, eine gerechtere Verteilung der Erziehungsarbeit zu fördern und Betreuungskonzepte zu reformieren. Die Politik müsse Kinder und Familien stärker in den Fokus rücken.
Prof. Dr. Verbeek, Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin und Bildungswissenschaftlerin, bringt über 30 Jahre Erfahrung in der Ausbildung von Fachkräften mit. Sie plädiert für Reformen in der frühkindlichen Betreuung und mahnt, die Bedürfnisse der Kinder und Familien stärker zu berücksichtigen.
Bindung als Fundament: Eine vernachlässigte Perspektive
„Die ersten anderthalb Jahre sind entscheidend, um eine stabile Eltern-Kind-Bindung aufzubauen“, erklärt Verbeek. Doch die frühe Fremdbetreuung, wie sie auch in Luxemburg verbreitet ist, steht oft im Widerspruch zu dieser wissenschaftlich fundierten Erkenntnis. Während Luxemburg bereits flexible Elternzeitmodelle anbietet und Väter stärker einbindet, sieht Verbeek die Notwendigkeit, diese Ansätze weiter zu fördern.
Eingewöhnung: Ein unterschätzter Schritt
Verbeek kritisiert, dass in Luxemburg der Eingewöhnung von Kindern in Vorschulen oft wenig Bedeutung beigemessen wird. „Eine gute Eingewöhnung ist essenziell, um Kindern Sicherheit zu geben und Überforderung zu vermeiden.“ Hier sieht sie Nachholbedarf, insbesondere im Vergleich zu bewährten Modellen in Nachbarländern.
Stress in der Betreuung: Auswirkungen auf Kinder und Fachkräfte
Die Herausforderungen in Betreuungseinrichtungen – von Lärm über Konflikte bis hin zu fehlender Struktur – belasten Kinder und Fachkräfte gleichermaßen. Offene Konzepte, die Autonomie überbetonen, führen laut Verbeek oft zu Überforderung. Sie fordert mehr Struktur, klare Rituale und individuelle Zuwendung.
Diversität und Partizipation: Vom Konzept zur Realität
Als multikulturelles Land hat Luxemburg eine besondere Verantwortung, Diversität aktiv und sensibel umzusetzen. Verbeek fordert, soziale Ungleichheiten konsequenter zu adressieren. „Diversität darf nicht nur ein Schlagwort sein, sondern muss in der Praxis gelebt werden.“ Fachkräfte müssten hier gezielt geschult werden, um der kulturellen Vielfalt gerecht zu werden.
Ausbildung: Theorie trifft Praxis
Verbeek betont, dass Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität genauso wichtig sind wie theoretisches Wissen. Sie hebt Luxemburgs verpflichtende Fortbildungen als positives Beispiel hervor und kritisiert, dass Deutschland durch die Akademisierung oft an Praxisnähe einbüßt.
Zukunftsperspektive: Eine Kita in Balance
Verbeek plädiert für eine Kita, die eine Balance zwischen Struktur und Freiheit bietet. „Kinder brauchen sowohl Anleitung als auch Freiraum – altersgerecht und individuell angepasst.“ Ihr Appell an die Politik: Kinder und Familien müssen im Zentrum stehen, mit längerer Elternzeit, besserer Unterstützung und praxisorientierten Betreuungskonzepten.
Fazit: Ein Appell für Veränderung
Verbeek regt an, wissenschaftliche Erkenntnisse stärker in der Praxis zu berücksichtigen und die frühkindliche Betreuung in Luxemburg und darüber hinaus kritisch zu hinterfragen. Sie ermutigt Eltern, auf ihr Bauchgefühl zu vertrauen, und fordert Fachkräfte sowie politische Entscheidungsträger auf, mutige und langfristige Entscheidungen zu treffen. „Es ist Zeit, die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen – mit einer Betreuung, die Bindung, Struktur und Bildung in Einklang bringt.“
"Die neue Kindheitspädagogik"
Frühe Krippenbetreiung: Zousätzlech Quellen a Perspektiven
Kinder, die im ersten Lebensjahr in einer Krippe betreut wurden, zeigten mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit in ihrer späteren Kindheitsphase sozial-emotionale Auffälligkeiten (wie vermehrte Aggressionen, Problemverhalten, Hyperaktivität und Impulsivität) und dies umso mehr, je mehr Stunden sie in der Krippe verbracht hatten und umso schlechter die Qualität der Einrichtung war. Diese Effekte zeigten sich selbst dann, wenn dabei der sozioökonomische Status der Familien mitkontrolliert wurde. Das Risiko für verschiedene Aspekte von Problemverhalten stieg nochmals an, wenn die Säuglinge ein schwieriges Temperament aufwiesen. Einige Forschergruppen empfehlen auf der Basis empirischen Wissens präventiv einen Start der außerhäuslichen Betreuung nach dem ersten Geburtstag. Um dies zu gewährleisten, brauchen Eltern arbeitsrechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, die es ihnen ermöglichen, ihr Kind selbst zu betreuen.
Quelle: Haug-Schnabel, G., Bensel, J. (2010). Ziele in der Krippenpädagogik: Bildungsziele der deutschen Frühpädagogik in der Diskussion. In: Weegmann, W., Kammerlander, C. (Hrsg.), Die Jüngsten in der Kita. Ein Handbuch zur Krippenpädagogik. Kohlhammer, Stuttgart. S. 145-163.
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